Pflege und Betreuung

Konzeption für demente Menschen

Es gibt viele verschiedene Demenzformen. Zu den häufigsten zählt die Alzheimer-Demenz und die vaskuläre Demenz die durch u.a. Gefäßverschlüsse im Gehirn hervorgerufen wird. Bei Demenzen vom Alzheimer-Typ werden während des Verlaufes Nervenzellen des Gehirns ausgeschaltet und lassen sich nicht regenerieren.

Die Ursachen der Alzheimer-Demenz sind bislang noch nicht abschließend erforscht, bekannt ist aber eine Reihe von Veränderungen im Gehirn, wodurch es zu einem Ausfall  von Nervenzellen und ihrer Verbindung untereinander kommt.

Die Krankheit verläuft immer unterschiedlich. Im Allgemeinen kann man jedoch drei in einander greifende Stadien feststellen. Charakteristisch für die Alzheimer-Demenz ist ihr schleichender Beginn. Am Anfang treten kleinere Gedächtnislücken und Stimmungsschwankungen auf, die Reaktionsfähigkeit nimmt ab. Hinzu kommen  leichte Sprachschwierigkeiten, die Erkrankten benutzen einfachere Wörter und kürzere Sätze, stocken mitten im Satz, verlieren den Faden. In diesem Stadium registrieren die betroffenen Menschen bewusst die Veränderungen, die in ihnen vorgehen. Daher reagieren viele von ihnen mit Wut, Angst, Beschämung  oder Depression.

Später  werden die Symptome offensichtlich. Die kranke Person ist bei Alltagsaufgaben wie Körperpflege oder Nahrungsaufnahme immer mehr auf die Unterstützung durch andere Menschen angewiesen. Kennzeichnend für dieses Stadium ist eine starke Störung des Gedächtnisses; nahe Verwandte werden nicht mehr erkannt, das Zeit- und Ortsgefühl geht verloren, die Sprache wird undeutlich und inhaltsleer.

Die Erkrankten können ihre Gefühle kaum noch kontrollieren, plötzliche Stimmungsschwankungen, Aggressionen und Depressionen treten immer  verstärkter auf.

Im späten Stadium der Demenz ist der Betroffene vollkommen auf Pflege und Betreuung durch andere angewiesen. Die Sprache beschränkt sich auf wenige Wörter; das Orientierungsvermögen in Bezug auf Zeit, Raum, Personen und Situationen geht verloren.

Das psychobiografische Pflegemodell nach Professor Erwin Böhm

Das psychobiografische Pflegemodell nach Professor Erwin Böhm zielt neben der somatischen, dh. der an körperlichen Krankheiten ausgerichtete Pflege, vor allem auf die Seelenpflege älterer Menschen.

Ein Hauptziel ist die "Wiederbelebung der Altersseele". Hierbei sollen die an Demenz erkrankten älteren Menschen so lange und in so vielen Alltagssituationen wie möglich selbständig denken und handeln. Dafür müssen die Pflegenden sie verstehen und wissen, was sie wollen und was sie zu bestimmten Verhaltensweisen bewegt.

Nach Professor Böhm ist Demenz eine Erkrankung, die sich als seelisches Geschehen äußert. Dieses Geschehen kann fortschreiten, und Betreuende erleben in der Folge bei den Betroffenen unterschiedliche Verhaltensauffälligkeiten, die einen gezielten Umgang mit diesen Menschen erforderlich machen. Er geht davon aus, dass sich auffällige Verhaltensweisen verstehen lassen, wenn die Lebensgeschichte sowie prägende Ereignisse im Leben der Erkrankten bekannt sind.

Wenn Betreuende wissen, wie sie demenziell erkrankte Menschen erreichen können, was für sie in ihrem Leben wichtig war und wie sie ihren Alltag gelebt haben, werden sie ein anderes Verständnis für den Umgang mit den ihnen anvertrauten Menschen entwickeln.

Sie können ihnen mehr Lust am Leben geben und sie wieder zu den an ihrer Biografie orientierten Alltagsnormalitäten ermuntern. In diesem Sinne hat Professor Böhm den bekannten Satz formuliert:

Wir sehen ein Bild von Prof. Erwin Böhm. Er spricht in ein Mikrofon. Seine rechte Hand hält er nach oben geöffnet vor seinen  Körper.Prof. Erwin Böhm














"
Ein Mensch, der seelisch lebt,
bewegt auch - freiwillig -
seine Beine"


Die Grundpfeiler des Pflegemodells


Das Pflegemodell basiert auf vier Grundannahmen:

  1. Jeder Mensch ist geprägt
  2. Jeder Mensch lebt in seiner Alltagsnormalität
  3. Jeder Mensch braucht ein Daheimgefühl, braucht das für ihn Vertraute und Bekannte
  4. Jeder Mensch braucht das Gefühl der Ich-Wichtigkeit

Die praktische Umsetzung besteht in den folgenden vier Säulen:

  1. das Verhalten der betroffenen älteren Menschen, in für sie als bedrohlich empfundenen Situationen, zu erkennen (Copings)
  2. eine Einschätzung zu seelisch-psychischen Situation vornehmen zu können (Interaktionsstufen)
  3. Impulse setzen
  4. mit diesen das Ziel der Reaktivierung zu verfolgen

Das Böhm-Modell führt zu positiven Veränderungen

Bei den Bewohnern ist feststellbar, dass sie:

  • sich in ihrer Umgebung besser zurechtfinden
  • weniger Weglauftendenzzeigen
  • weniger Psychopharmaka benötigen
  • lebendiger sind
  • ihre alten Fähigkeiten und Fertigkeiten wieder finden und wieder leben
  • ausgeglichener sind
  • sich wichtig fühlen
  • sich wieder am täglichen Leben beteiligen
  • zwischenmenschlichen Kontakt annehmen und suchen und wieder sprechen, lachen und Eigeninitiative zeigen

Die Mitarbeiter bemerken, dass:

  • sie mit ihrer Arbeit viele positive Effekte erzielen
  • sie in weniger Konflikt- und Belastungssituationen geraten
  • die Arbeit im Team sich positiv verändert
  • ihre Motivation wächst
  • das Befinden der Bewohner sich verbessert
  • der Kontakt mit Angehörigen persönlicher und gegenseitig verständnisvoller wird
  • sie Anerkennung und Wertschätzung durch die Angehörigen erfahren
  • ihre Arbeit sinnvoll ist
  • sie Selbstzufriedener werden
  • die Pflegequalität sich verbessert

Quelle: Europäisches Netzwerk für psychobiografische Pflegeforschung,
www.enpp-boehm.de

Fragen die uns häufig gestellt werden:

Warum sind so viele "alte" Möbel, Einrichtungsgegenstände und "Krimskrams" aus vergangenen Zeiten in der Einrichtung?

  • Wir benötigen die Gemütlichkeit und Geborgenheit der Möbel und Einrichtungsgegenstände aus vergangenen Zeiten, weil sich unsere Bewohner dadurch sicher und geborgen fühlen.
  • Aussagen wie: "…dort auf der Eckbank ist mein Platz.." lassen bei den Bewohnern Zufriedenheit erkennen
  • Die eigene Kuckuksuhr, das eigene Bettzeug, das eigene mitgebrachte Mobiliar im Bewohnerzimmer und ähnliche Gegenstände im Wohnbereich geben Stabilität, strahlen Wärme aus und geben ein Daheimgefühl
  • Wenn Bewohner anderes Mobiliar aus Ihrer Prägungszeit kennen, wird die Einrichtung individuell angepasst. Seit Beginn der konzeptionell gestützten Millieugestaltung sind viele Bereiche bereits zum wiederholten Male angepasst worden.

Warum tragen die Mitarbeiter keine Dienstkleidung?

  • Dienstkleidung wie sie im Allgemeinen im Gesundheitsbereich genutzt wird, so genannte Pflegekleidung, wird bei uns seit fast drei Jahren nicht mehr getragen. Die Dienstkleidung, auch wenn sie farblich abgesetzt ist, wirkt uniform und signalisiert

    Distanz, Achtung, Abstand an das Gegenüber.

  • Wir möchten unseren Bewohnern als freundliches Mitglied der Gemeinschaft in unserer Einrichtung gegenüber treten.Dies schafft Nähe und fördert den Vertrauensaufbau.

Würden wir die herkömmliche Dienstkleidung wieder einführen  oder die Möbel gegen Neu-Mobiliar austauschen, könnte dies zu einer psychischen Dekompensation führen und die an Demenz erkrankten Menschen in unserem Hause liefen Gefahr einen weitern  Demenzschub bekommen.

Ungewohntes erzeugt Unsicherheit - Gewohntes gibt Stabilität

Stefan Smolinka
Heim- und Pflegedienstleiter
Caritas Altenpflegeheim St. Martin Bad Orb